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Auszubildende an der Berufsschule Riesstraße stellen neuartige Werbekonzepte für das Alphabetisierungs-Programm der MVHS vor. Slogans mit Sex-Appeal und Humor sollen Jugendliche aus bildungsfernen Schichten auf die Kurse der Initiative Pro Grundbildung neugierig machen
„Kommasaufn“ am „Sahmstak“? Mit Wortwitz und einem Augenzwinkern wollen Auszubildende Blockaden bei bildungsmüden Altersgenossen durchbrechen. Die angehenden Bürokaufleute für Kommunikationsmarketing an der Berufsschule in der Riesstraße haben für die Initiative Pro Grundbildung in einem 14-tägigen Praxisprojekt neuartige Marketingkonzepte ausgelotet. Die Ergebnisse sollen den Pädagogen der Münchner Volkshochschule (MVHS) helfen, junge Menschen mit Lese- und Rechtschreibschwäche wirksam direkt anzusprechen. Jeweils vier bis sechs Schüler konzipierten und kalkulierten unter Realbedingungen einen Werbefeldzug für mehr Grundbildung. Das Resultat bei der Präsentation der Ergebnisse ist auffallend einmütig: Die Azubis ziehen subtilen Charme mit Erotikfaktor erzieherischen Apellen vor. Wie etwa in der Postkartenkampagne eines Teams. Symbole der Spaßgesellschaft von Turnschuh bis zum Sportwagen werden hierbei mit Rechtschreibfehlern betitelt – von der Discokugel mit der Unterzeile „Sahmstak“ bis zum Cocktailglas, das mit dem Wort „Kommasaufen“ zu mehr Rechtschreibkompetenz aufruft. Rund vier Millionen Deutsche können nicht richtig lesen und schreiben. Umgerechnet bleiben in München 65.000 Menschen – eine Allianz-Arena voll – durch ihre Rechtschreibschwächen von beruflichen und gesellschaftlichen Möglichkeiten ausgeschlossen. Hatte man lange gehofft, die Bildungsexpansion werde das Problem langfristig von selbst aus der Welt schaffen, muss man heute anerkennen, dass Analphabetismus keineswegs ein verschwindendes Symptom der Weltkriegsgeneration ist. Allein 2008 haben 17 Prozent der Münchner Hauptschüler ihre Bildungslaufbahn ohne Abschluss beendet. Experten fürchten hier die künftige Generation Analphabetismus: Der Begriff des Analphabeten wird inzwischen neu definiert: Man spricht heute bei Menschen, die nur rudimentär lesen und schreiben können und damit Texte nicht richtig erfassen können, von „funktionalem Analphabetismus“, erläutert Schmid. Die Gefahr, die oft unsicheren Kenntnisse im Lesen und Schreiben wieder zu verlernen, sei für diese Jugendlichen extrem hoch, erklärt Annkathrin Schmid, Impulsgeberin des Praxisprojekts und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Initiative Pro Grundbildung. „Es geht weniger um das Buchstabieren von Wörtern als um das Verstehen und Gestalten der Welt“, steht in großen Lettern auf der Internetseite www.ProGrundbildung.de. Wenn es um die Bekämpfung von Analphabetismus geht, stehen bisher Maßnahmen im Vordergrund, die sich in Form und Funktion an so genannte Multiplikatoren richten. Lehrer und Sozialarbeiter sollen die Betroffenen in die Kurse vermitteln. Die vor einem Jahr ins Leben gerufene Initiative Pro Grundbildung will die betroffenen Jugendlichen direkt ansprechen. Für Projektleiterin Andrea Kuhn-Bösch stellt sich dabei die Frage: Wie erreicht man Menschen, die nicht lesen können? Internetplattformen, Postkarten und Radiospots sind nach Meinung der Azubis derzeit geeignete Medien, um unterprivilegierte Zielgruppe zu erreichen. Das Web bietet sogar ganz neue Möglichkeiten: Denn die Nutzergewohnheiten auf Communities wie den Lokalisten erlauben auch funktionalen Analphabeten die Teilhabe am digitalen Informationsaustausch. Beim Verfassen der üblichen Kurznachrichten spielt Orthografie keine Rolle. Die Berufsschüler mussten für ihre Kampagne eine theoretische Budgetobergrenze von 3.000 Euro einhalten. Das spornte die Kreativität an. Ein Team setzte daher besonders auf die im Aufbau befindlichen „Alpha-Scouts“. Das Konzept, freiwillige Helfer aus diversen Bereichen an der MVHS auszubilden, um ein interdisziplinäres Netzwerk aufzubauen und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren, möchten die Medien-Azubis auf ein spezielles Jungendteam ausweiten. Fundamentale Verbesserungsvorschläge sah man bei der Namensgebung. Die Telefonauskunft wird zur „SOS-Nummer“ und statt „Initiative Pro Grundbildung“ schreibt man lieber „Checkpoint Alpha“ auf die Flyer. Wenn es um die Inhalte geht, streben alle Azubis fort von einfühlsamen Sozialpädagogen-Phrasen: Der „bemüht verständnisvolle Ton“ erhöhe eher er das Schamgefühl, gibt eine Auszubildende zu bedenken. Ein griffiger Slogan ist dem Medien-Nachwuchs wichtiger. Viel Applaus erhielt das Motto: „Bildung macht sexy“ - eine schlichte Formel, ein hoher emotionaler Faktor. „Wir wollten den Consumer Benefit in den Vordergrund stellen“, erklärte die Auszubildende Jessica Brosch. „Sex, Erotik und Witz“, sei nun mal das, „was junge Menschen am meisten interessiert“. In Bars und Discos sollen Postkarten verteilt werden: Darauf wahlweise ein roter Frauenmund oder ein frisch geduschter Mann – dazu jeweils das schmerzlich falsch geschrieben Wort „Säxy“. In die gleiche Kerbe schlägt der dazugehörige Werbespot, der schon in der Präsentation zum Publikumsliebling wurde. Der Gainsbourg-Stöhn-Klassiker „Je t`aime“ verbreitet erotisches Knistern. Plötzlich unterbricht ein schrilles Kratzen die Schlafzimmer-Szene. Eine entsetzte Frauenstimme ruft: „Wie? Du kannst nicht lesen.“ Der Abspann nennt die SOS-Telefonnummer der Alphabetisierungskurse. Schock-Werbung, die unter die Gürtellinie geht. Doch der Berufsschullehrer mahnte: „Die Rechte für den Song würden das Budget sprengen.“ Ein ähnliches Problem hatte eine Gruppe, die mit Rap von Bushido werben wollte. Alternativ wurde die Idee geboren, ein Bandwettbewerb könnte eigene Tracks liefern und nebenbei die Bekanntheit der Initiative steigern – wenn die Medienpartner mitspielen. Nur bei der Wahl des richtigen Radiosenders gingen die Vorschläge der Berufsschüler auseinander. Während die einen auf die kostenlosen Spots des Radiosenders 94,5 setzten, würde eine Gruppe fast den gesamten Etat in 16 abendliche Schaltungen bei einem der großen Münchner Privatsender investieren. Die MVHS-Expertinnen wollen die Vorschläge in Ruhe prüfen und möglichst viele Ideen in die Tat umsetzen. Schmid warnte aber vor allzu innovativen Werbekonzepten: „Die Frage ist, ob der subtile Witz bei der Zielgruppe ankommt.“ Als geeigneter Kompromiss erschien Bildungsprofis und Berufsschullehrern ein Vorschlag, der den praktischen Nutzen in den Mittelpunkt stellt. „Wir wollten zeigen, dass Lesen schon im Alltag wichtig ist“, sagt Stefanie Heimgreiter. Ihr Team hat ein Plakat entworfen, das die Buchstaben der Größenangaben auf Kleiderbügeln zeigt. Ein Plakat, das einen Zollstock mit Buchstabenwürfeln kombiniert, war am Ende Favorit der Experten-Jury. Das Praxisprojekt war für die Schüler eine willkommene Abwechslung zum theoretischen Schulalltag. Zur Vorbereitung haben die künftigen Medienstrategen - die zu 70 Prozent Hochschulreife besitzen - eine Praxisklasse besucht, die im gleichen Gebäude unterrichtet wird. Hier trafen sie Schüler, die keine Aussicht mehr auf einen erfolgreichen Hauptschul-Abschluss haben und sich nur noch auf das Erlernen praktischer Tätigkeiten beschränken. Verhinderte Absolventen wie sie die Alphabetisierungs-Projektleiterin Kuhn-Bösch kennt. Die Arbeitgeber haben sich längst auf das Klientel eingestellt. Viele Auftragslisten für Mitarbeiter im Billiglohn-Sektor werden heute nur noch mit Piktogrammen beschriftet. Sogar Putzlappenhersteller haben inzwischen auf die schwachen Leseleistungen vieler Anwender reagiert, berichtet Kuhn-Bösch. Die Lappen für die unterschiedlichen Bereiche werden nicht mehr beschriftet, sondern in verschiedenen Farben bedruckt. Für schlecht bezahlte Jobs reicht eine kleine Farbenlehre aus. Um jungen Menschen faire Lebensperspektiven zu bieten, sind größere Anstrengungen nötig. ... link (0 Kommentare) ... comment Illustration: Isabella Moser, Text: Jakob Schrenk
![]() ![]() „Warum schnitten die anderen Kinder besser ab als ich“, fragt er sich und gibt gleich selbst die Antwort: „Weil sie besser waren, deshalb. Solche wie dich gibt es viele. Du kommst nicht bis an die oberste Spitze.“ Nur mit einem herausragenden Ergebnis schafft man es auf ein gutes College und auf eine Elite-Uni, nur mit dem perfekten Abschluss bekommt man einen guten Job, und nur mit einem guten Job hat man ein glückliches Leben. Für Craig ist diese Kausalkette der Leistungsgesellschaft zerbrochen, schon im ersten Glied. Craig Gilner ist Hauptperson des amerikanischen Romans „Eine echt verrückte Story“, der 2007 auch auf Deutsch erschienen ist. Der 26-jährige Autor Ned Vizzini schildert das Leben und Leiden eines modernen Werthers, der nicht an einer unerfüllten Liebe zerbricht, sondern an den Leistungsanforderungen der Gesellschaft. Die Hippies träumten davon, die Welt zu verändern, die Generation X wollte nur noch in Ruhe gelassen werden, Jugendliche wie Craig Gilner eint die Sorge um die Zukunft. Die Shell-Studien zeichnen alle paar Jahre das Bild einer skeptischen Generation, die auf sich selbst vertraut, aber wenig von der Zukunft erwartet. Die Bedeutung von Fleiß und Ehrgeiz für die Lebensgestaltung verstärkt sich. „Verglichen mit älteren Generationen sind die Angehörigen dieser Generation besser zu motivieren und besser einzusetzen“, resümiert der Soziologe Klaus Hurrelmann. Die Jugendlichen analysieren, was der Markt verlangt und liefern dann das gewünschte Produkt in Form der richtigen Praktika oder des gefragten Studiengangs. Leben für den Lebenslauf. Der Spruch steht in fetten Lettern auf der Webseite der Firma Babyplus. Sie bietet eine Art Walkman an, den sich die werdende Mutter um den Bauch bindet, „das wertvollste pädagogische Bildungssystem, das je entwickelt wurde“, schreibt die Firma. An den privaten Helen-Doron-Schulen können mittlerweile schon Säuglinge ab drei Monaten Englisch lernen. Das US-Unternehmen Fastrackids hat im Januar 2007 in Berlin seine erste Dependance eröffnet und bietet den dreibis sechsjährigen Schülern einen umfassenden Lehrplan: zwölf verschiedene Fächer, unter anderem Astronomie, Biologie, Mathematik, Naturwissenschaften und Wirtschaft. Der Wettlauf um die Karriere beginnt immer früher. In München werden bereits für Kindergärten naturwissenschaftliche Lehrpläne entwickelt. In der Grundschule geht der Klassenkampf dann richtig los. Spätestens in der vierten Klasse erreichen die Kinder im bayerischen Bildungssystem die wichtigste Kreuzung des Lebens. Der Notenschnitt im Zeugnis entscheidet darüber, ob sie auf das Gymnasium oder in Realoder Hauptschule gehen. Die Lebenschancen werden nach einem schlichten Schema verteilt: 2,33 reicht für den perfekten Start, 2,66 immer noch für die Realschule – alles, was schlechter ist, ist laut Statistiken ein ziemlich sicherer Weg in die Arbeitslosigkeit. In den letzten Jahren haben Zeitungen und Zeitschriften viel geschrieben über den Jugendwahn und die Anstrengungen älterer Menschen, mittels Röhrenjeans die Phase der Adoleszenz bis zur Verrentung zu verlängern. Weitgehend unbemerkt hat aber auch eine umgekehrte Entwicklung stattgefunden. Jugendliche und Kinder sehen sich genötigt, Einstellungen der Erwachsenenwelt zu übernehmen. Diese Prozesse sind nicht widersprüchlich. Alt und Jung treffen sich in der Mitte, ungefähr in den gefühlten Dreißigern, dem Traumalter für jeden Personalchef. Ein Dreißigjähriger hat sich die Flausen aus dem Kopf geschlagen, kennt sich aus, ist stark, fit und uneingeschränkt einsetzbar. keine Zeit verlieren: bilden, lernen, weiter bilden, das Leben als Wettrennen, jeder kleine Vorsprung – Business-Englisch, perfekte Rhetorik oder HTML-Kenntnise – muss genutzt werden. Wie das Deutsche Studentenwerk (DSW) im Juli 2007 berichtete, stehen Studenten unter „immer höherem Erwartungs-, Leistungs- und vor allem Zeitdruck“, immer mehr leiden unter dem einst als Manager-Krankheit bekannt gewordenen Burnout-Syndrom, klagen über Versagensängste, Schlafstörungen, Depressionen. Auch der Romanheld Craig Gilner wird depressiv, plant, sich von einer Brücke zu schmeißen und weist sich dann selber in die Psychiatrie ein. Erst dort lernt er, dass es im Leben noch etwas anderes gibt als lernen. ... link (1 Kommentar) ... comment |
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